Umsetzung der „Work-Life-Balance-Richtlinie“ (Teil 2)
Stand 19/10/2023
Wie bereits in unserem Newsletter vom 16.10.2023 berichtet, wurde am 12.10.2023 eine umfassende Gesetzesnovelle zur Umsetzung der sog „Work-Life-Balance-Richtlinie“ der EU (RL 2019/1158) kundgemacht. Diese umfasst neben den Änderungen zur Elternkarenz und Elternteilzeit auch einige weitere arbeitsrechtliche Neuerungen, über die wir im Folgenden kurz informieren.
1. Änderungen der Pflegefreistellung
1.1. Die Pflegefreistellung gem § 16 Abs 1 Z 1 Urlaubsgesetz (UrlG) kann in Zukunft auch wegen der notwendigen Pflege eines erkrankten nahen Angehörigen im Sinne dieser Bestimmung in Anspruch genommen werden, der mit dem Arbeitnehmer nicht im gemeinsamen Haushalt wohnt (das war bisher grundsätzlich nur bei den leiblichen Kindern, nicht aber bei anderen nahen Angehörigen wie zB den Großeltern möglich). Weiters besteht zukünftig auch ein Anspruch auf Pflegefreistellung für Personen, mit denen der Arbeitnehmer zwar im gemeinsamen Haushalt wohnt, die aber keine nahen Angehörigen iSd § 16 Abs 1 UrlG sind (zB Geschwister, aber auch sonstige Mitbewohner in einer Wohngemeinschaft).
1.2. Im Zusammenhang mit der Pflegefreistellung wurde weiters ein eigener Motivkündigungsschutz geschaffen und gibt es eine Verpflichtung des Arbeitgebers, auf Verlangen des Arbeitnehmers eine Kündigung schriftlich zu begründen.
2. Weitere Begründungspflichten
Durch die Novelle werden neue schriftliche Begründungspflichten vorgesehen. Eine solche schriftliche Begründung muss der Arbeitgeber in Zukunft bei der Ablehnung folgender Anträge des Arbeitnehmers abgeben:
- Herabsetzung der Arbeitszeit gem § 14 Abs 1 Z 2 AVRAG zur nicht nur vorübergehenden Betreuung naher Angehöriger iSd § 16 Abs 1 UrlG aufgrund familiärer Beistandspflichten
- Pflegekarenz gem § 14c AVRAG
- Pflegeteilzeit gem § 14d AVRAG
Gibt der Arbeitgeber keine sachliche und schriftliche Begründung ab, sind im Gesetz allerdings keine Sanktionen vorgesehen. In einem allfälligen späteren Gerichtsverfahren könnte sich eine solche Unterlassung unter Umständen aber negativ für den Arbeitgeber auswirken.
3. Ablaufhemmung von Verjährungs- und Verfallsfristen
In einigen Situationen normiert die Novelle eine Hemmung des Ablaufs von laufenden gesetzlichen, kollektivvertraglichen und vertraglichen Verjährungs- und Verfallsfristen betreffend Ansprüchen aus dem Dienstverhältnis, welche der Arbeitnehmer bereits erworben hat. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer Ansprüche, die während einer bestimmten Zeit eigentlich bereits verjährt oder verfallen wären, trotzdem noch geltend machen kann. Eine derartige Ablaufhemmung ist für folgende Situationen vorgesehen:
- während einer Karenz (§ 15f Abs 1a MSchG, § 7d VKG)
- während einer Pflegefreistellung (§ 18a UrlG)
- während einer Dienstverhinderung aufgrund Krankheit oder Unfall eines nahen Angehörigen gem § 8 Abs 3 AngG bzw § 1154b Abs 5 ABGB (§ 9a AngG, § 1154b Abs 7 ABGB)
- während einer Freistellung zur Sterbebegleitung gem § 14a AVRAG, zur Begleitung von schwersterkrankten Kindern gem § 14b AVRAG und bei Inanspruchnahme von Pflegekarenz gem § 14c AVRAG (§16a AVRAG)
Die Ansprüche können jeweils noch bis zwei Wochen nach Ende des Grundes für die Hemmung der Verjährung bzw des Verfalls geltend gemacht werden.
4. Änderungen des Gleichbehandlungsgesetzes
4.1. Der Diskriminierungsschutz der Gleichstellung aufgrund des Geschlechtes nach dem GlBG wird nunmehr auf die Ermöglichung der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben von Eltern, Adoptiv- und Pflegeeltern sowie pflegenden Angehörigen erweitert.
Das GlBG ist daher zukünftig auch anwendbar, wenn eine Diskriminierung wegen eines der folgenden Fälle vorliegt:
- Elternkarenz, Elternteilzeit, Papamonat
- Pflegefreistellung
- dringende familiäre Dienstverhinderung infolge Erkrankung oder Unfall (§ 8 Abs 3 AngG, § 1154b Abs 5 ABGB)
- Betreuungsteilzeit (§ 14 Abs 1 Z 2 AVRAG), Sterbebegleitung (§ 14a AVRAG), Begleitung von schwersterkrankten Kindern (§ 14b AVRAG), Pflegekarenz (§ 14c AVRAG), Pflegeteilzeit (§ 14d AVRAG)
4.2. Arbeitnehmer, die von ihrem Arbeitgeber wegen einer der genannten Pflege- bzw Betreuungssituationen im beruflichen Kontext benachteiligt werden, können zukünftig alle Ansprüche nach dem GlBG geltend machen (neben Gleichstellungsansprüchen und/oder Schadenersatz ist vor allem das Anfechtungsrecht bei Arbeitgeberkündigung, Entlassung und Befristungsablauf von hoher praktischer Relevanz).
5. Alle genannten Änderungen treten mit 1.11.2023 in Kraft.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Judith Morgenstern | Remo Sacherer
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