Urteil des EuGH zur Urlaubsersatzleistung
Stand 15/12/2021
In einem kürzlich veröffentlichten Urteil stellte der EuGH klar, dass Arbeitnehmern auch bei ungerechtfertigtem Austritt eine Urlaubsersatzleistung zusteht. Wir informieren Sie über diese Entscheidung und ihre Auswirkungen in der Praxis.
1. Bisherige österreichische Rechtslage
Nach dem österreichischen Urlaubsgesetz (UrlG) hat ein Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich Anspruch auf Auszahlung der nicht konsumierten (aliquoten) Urlaubstage in Form einer Urlaubsersatzleistung. Dieser Auszahlungsanspruch entfällt allerdings nach derzeitiger Rechtslage für die Urlaubstage des laufenden Urlaubsjahres, wenn der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis durch unberechtigten vorzeitigen Austritt beendet hat (vgl § 10 Abs 2 UrlG).
2. Entscheidung des EuGH
Im Anlassfall klagte der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber trotz des Vorliegens eines unberechtigten vorzeitigen Austritts auf Auszahlung der Urlaubsersatzleistung und begründete dies damit, dass die österreichische Rechtslage gegen europäisches Recht verstoßen würde.
Der EuGH kam nun tatsächlich zu dem Schluss, dass die Regelung des § 10 Abs 2 UrlG europarechtswidrig ist (EuGH 25.11.2021, C-233/20). Der EuGH begründet dies damit, dass die ArbeitszeitRL (Art 7 RL 2003/88/EG) und die EU-Grundrechte-Charta (Art 31 Abs 2 GRC) ein Grundrecht auf einen bezahlten Jahresurlaub vorsehen. Daraus ergibt sich für den EuGH zwingend ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung von sämtlichen nicht konsumierten Urlaubstagen mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dabei darf der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Rolle spielen, sodass es nach Ansicht des EuGH insbesondere auch im Falle eines unberechtigten vorzeitigen Austritts zu keinem Entfall bzw zu keiner Schmälerung der Urlaubsersatzleistungen kommen darf.
3. Auswirkungen der Entscheidung für die Praxis
Das Urteil des EuGH hat unmittelbare Auswirkungen auf die österreichische Rechtslage und ist von inländischen Gerichten bei ihren Entscheidungen zukünftig zwingend zu beachten. § 10 Abs 2 UrlG hat zukünftig unanwendbar zu bleiben.
Arbeitnehmer können auch für die Vergangenheit Ansprüche auf Urlaubsersatzleistung nachfordern, wenn sie unberechtigt vorzeitig ausgetreten sind und daher keine (volle) Urlaubsersatzleistung ausbezahlt bekommen haben. Dies allerdings nur dann, wenn eine allfällige einzelvertraglich oder kollektivvertraglich vorgesehene Verfallsfrist (zB „der Arbeitnehmer muss bei sonstigem Verfall sämtliche Ansprüche binnen drei Monaten ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich beim Arbeitgeber geltend machen“) noch nicht abgelaufen ist. Es ist freilich nicht auszuschließen, dass Arbeitnehmervertreter die Gültigkeit von Verfallsklauseln im gegenständlichen Zusammenhang in Frage stellen. Jedenfalls verjährt der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsersatzleistung spätestens 3 Jahre nach dem Austritt.
Nicht auszuschließen ist weiters, dass im Rahmen einer behördlichen Prüfung durch die ÖGK oder das Finanzamt (GPLB) Sozialversicherungsbeiträge und Abgaben nachgefordert werden, die auf die wegen des unberechtigten Austritts nicht ausbezahlte Urlaubsersatzleistung entfallen.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Judith Morgenstern
Remo Sacherer
und deren Arbeitsrechts-Team
office@mo-sa.at
+43 1 218 13 30-0
#WirGestaltenArbeitsrecht
MOSA Rechtsanwälte
Berggasse 7/5
1090 Wien